Was geschehen ist, begreifen wir nicht. Wir versuchen zu verstehen, zu akzeptieren, doch es gelingt nicht. Jeden Tag die gleichen Fragen. Fragen nach dem WARUM. Was fehlt sind die Antworten, auch wenn wir wissen, dass unsere Jette nicht zurückkommt.
Unsere kleine Jette wurde am 19.03.2013, 9.35 Uhr im Helios Klinikum Gotha mit 3.470 kg, 49 cm groß geboren. Sie hatte eine schöne Säuglingszeit, unbeschwert, gesund, froh und munter.
Im Oktober 2014 sollte es dann so richtig mit Kinderkrippe losgehen, denn die Babyzeit war vorbei. Wir waren darauf vorbereitet, dass man beim Spielen mit anderen Kindern den einen oder anderen Infekt anschleppt, aber das kannten wir ja von den zwei großen Brüdern. Ein Husten, ein Schnupfen, mal ein bisschen Fieber. Alles nichts Neues. Zudem war Jette komplett geimpft.
Wegen Kleinigkeiten waren wir immer mal wieder beim Kinderarzt. Nichts Schlimmes. Mal bekamen wir Hustensaft, mal Nasentropfen verschrieben, vorsorglich auch Fieberzäpfchen. Jette fühlte sich mal ein bisschen schlapp, aber auch das war wohl normal bei dem für sie ungewohnten Krippenalltag und bei der herbstlichen Witterung.
Trotzdem war ich erschrocken, als ich unsere kleine Maus eines nachmittags aus der Krippe abholen wollte und sie dort mitten im Raum im Bettchen lag. Das war nicht Jette. Zu Hause war dann wieder alles in Ordnung. Den nächsten Tag war es dann umgekehrt. Morgens und in der Krippe fühlte sie sich wohl und nachmittags zu Hause war sie dann total schlapp, legte sich sogar auf den Fußboden um sich auszuruhen. Das beunruhigte mich schon sehr.
Also sind wir zum Kinderarzt. Aber alles war in Ordnung. Mir wurde wieder gesagt, es sei die Umstellung auf den Krippenalltag und das Wetter. Jette hatte ja auch kein Fieber, immer mal nur etwas erhöhte Temperatur.
Die Weihnachtsfeiertage waren in Sicht und wir hofften, dass wir dann alle ein bisschen zur Ruhe kommen würden.
Am 22.12. war ich arbeiten und Jette war bei Oma und Opa. Als wir sie am Nachmittag abholen wollten, fühlte sie sich nicht wohl und hatte auch Fieber. Kurzerhand rief ich bei unserer Kinderärztin an, ob sie noch da sei und wir hinkommen könnten. Jette wurde dort wieder untersucht und es wurde wieder nichts festgestellt. Die Ärztin sagte, dass wenn es sich nicht bessern würde, wir auch am 24.12. zum Bereitschaftsdienst ins KH Gotha kommen könnten, weil sie dann dort Dienst hätte und sich Jette nochmal anschauen könnte.
Da ich am 24.12. mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt war und wir ein ungutes Gefühl hatten, was die ärztliche Erreichbarkeit von Ärzten während der
Feiertage betrifft, fuhren Jette und Papa zur Kinderärztin zwecks Kontrolle, Jettes Gesundheitszustand hatte sich bis dahin weder verbessert noch verschlechtert. Weil aber das Ganze schon zu lange andauerte, war ich leicht beunruhigt und der Meinung, man müsste das endlich mal abklären. Zudem kann es nicht sein, dass immer nur das Fieber unterdrückt wird.
Aber auch am 24.12. stellte die Kinderärztin fest, dass alles in Ordnung ist. Keine Auffälligkeiten, ein kleiner Infekt, sonst nichts.
Sollte es nicht besser werden, riet sie uns, Jette am 25.12. oder 26.12. stationär vorzustellen, damit dort mal eine Blutuntersuchung veranlasst werden könnte. (WARUM erst DANN???) Sie rief auf Station an, erklärte den Sachverhalt und gab Jettes Personalien durch. Mein Mann stand daneben.
Am Weihnachtsabend strahlten Jettes Augen. Oma und Opa waren gekommen mit dem neuen Schlitten. Jettes große Geschwister waren beide da und Papa hatte extra den kleinen Baum bunt geschmückt. Und so viele Lichter...
Am 25.12. waren wir dann spazieren. Jette fühlte sich nach wie vor nicht sehr wohl, wirkte aber auch nicht wirklich krank.
Weil wir Klarheit haben wollten, gingen wir erneut zum Krankenhaus.
Auf Station waren wir unbekannt. Wir schilderten den Sachverhalt vom 24.12. Aber es existierten weder Unterlagen noch waren Jettes Personalien bekannt. Es wurde wieder alles neu aufgenommen. Jette wurde wieder untersucht. Diesmal wurde Blut abgenommen. Zunächst sollte ein Schnelltest einschließlich eines Tests auf Pfeifferisches Drüsenfieber durchgeführt werden. (Später erfuhren wir, dass in diesem Jahr diese Krankheit wohl mehrere Male aufgetreten war und somit evtl, ein Verdacht begründet werden konnte.) Jettes Pech??? Aber sie war doch noch nicht mal 2 Jahre. Wie wahrscheinlich ist diese Krankheit bei einem 21 Monate altem Kleinkind? Während allgemein bekannt ist, dass ein erhöhtes Risiko an Meningitis zu erkranken in den ersten 2 Lebensjahren besteht. WARUM hat man nicht parallel weitere Tests angeordnet?
Während der Schnelltest durchgeführt wurde, gingen wir mit Jette in die Cafeteria und bestaunten dort den Wasserfall.
Nach ca. einer Stunde sind wir dann wieder auf Station. Der vorliegende Befund war negativ. (Der Entzündungswert lag bei 23 (normal sind ca. 5-6). Dieser Wert war zwar nicht besorgniserregend, hätte aber aufmerksam machen müssen - später lag er dann bei 83!!!)
Die Ärztin fragte uns, ob Jette dennoch stationär aufgenommen soll. Wir fragten nach, was denn vom Krankenhaus aus gemacht werden würde, wenn wir Jette da ließen. Die Ärztin erklärte, dass lediglich das Fieber kontrolliert werden würde. Da wir nur 5 Fahrminuten vom Krankenhaus aus wohnen, entschlossen wir uns, Jette wieder mitzunehmen, denn Fieber können wir selber messen und außerdem wären wir im Notfall auch schnell wieder vor Ort.
Die Ärztin vermerkte also, dass wir keine stationäre Aufnahme wünschen hierzu werde ich mich später nochmals äußern), dass wir uns am 05.01.15 wieder bei der Kinderärztin vorstellen sollten und dass weitere Befunde ausstehen würden, wegen denen wir uns dann am 26.12. bzw. am 29.12. nochmals telefonisch melden sollten. Vorsorglich haben wir auch unsere Telefonnummern im Krankenhaus gelassen.
Am 26.12. riefen wir gegen Mittag im Krankenhaus an. Zunächst wurden unsere
Unterlagen nicht gefunden, auch waren Jettes Personalien nicht bekannt und wir wurden gebeten, uns später nochmal zu melden. Später wurde uns dann telefonisch erklärt, es sei alles in Ordnung, Befund negativ, obwohl ich das Gefühl hatte, man hatte immer noch keinen Vorgang gefunden. (*auch auf diese Befunde werde ich später nochmal zurückkommen)
Ich fragte nach, was ich denn machen könne, wenn das Fieber doch wieder ansteigt. Mir wurde gesagt, ich könne zusätzlich zum Fieberzäpfchen noch einen Fiebersaft geben oder auch ein Kühlakku auf den Thorax legen, "aber nicht auf die bloße Haut, denn da gibt es Erfrierungen.". . . .
Mein Mann schnappte gleich sein Handy um zu sehen, in welcher Apotheke er denn (26.12.) noch Fiebersaft bekommen könne. Aber ich hielt ihn zurück, da ich der Ansicht war, dass dies nicht der richtige Weg wäre.
Am 29.12. ging es Jette wieder besser. Zum ersten Mal war sie frühmorgens völlig fieberfrei. Wir atmeten auf. Ich ging normal zur Arbeit und am Mittag holten die zwei mich ab. Jette ging es gut. Ich hatte es fast vergessen, rief aber trotzdem dann im Krankenhaus an um zu fragen, ob die weiteren Befunde vorliegen.
Man fand wiederum Jettes Vorgang nicht und fragte mich, welche Befunde denn noch ausstünden. Letztendlich erklärte man uns, dass auch diese Blutuntersuchung hinsichtlich des Pfeifferischen Drüsenfiebers (Übertragung durch Tröpfcheninfektion - nicht durch Antibiotika behandelbar) negativ ausgefallen ist.
Am Nachmittag des 29.12. spielte Jette mit ihren Bausteinen, holte all ihre Bücher hervor und war glücklich, mit uns zusammen zu sein. Das erste Mal sang sie, am Tisch stehend, vor sich hin. All die Lieder, die wir ihr immer wieder vorgesungen hatten ...
Am späten Nachmittag des 29.12. bekam Jette wieder Fieber, schlief auf dem Sofa in meinem Arm oder zusammengekauert auf Papas Bauch. Gut, dachten wir, sie ist einfach nur erschöpft. Gönnen wir ihr viel Ruhe. Zudem kontrollierten wir, dass sie regelmäßig trank. A t
Gegen Abend wurde das Fieber höher, 40,8 Grad/C. Ich gab ihr ein Fieberzäpfchen. Ins Bettchen legte ich sie nicht, weil ich Angst hatte, dass sie vielleicht einen Fieberkrampf bekommen könnte. Außerdem erbrach sie sich zwischendurch immer wieder. Also behielt ich sie weiter im Arm, gab ihr zu trinken und hoffte, dass das Fieber zurückgeht. Beim Erbrechen drückte sie ihr Köpfchen immer wieder zurück, so dass es mir schwer fiel, sie im Arm zu halten. Aber ich hatte Angst, dass sie sich vielleicht am Erbrochenen erstickt.
Das Fieber ging bis 23.00 Uhr nicht zurück und wir entschlossen uns, ins Krankenhaus zu fahren. Mein Mann schimpfte, weil ich Jette nicht in den Kindersitz setzen, sondern sie auf der Rückbank des Autos auf meinen Armen halten wollte. Bereits jetzt stemmte sie sich sosehr zurück...
Im Krankenhaus angekommen, begaben wir uns wieder auf die Station, auf der wir bereits am 25.12. waren. Dort fand man Jette ihre Akte nicht, weder war der Vorgang da, noch waren ihre Personalien bekannt. Während mein Mann die Formalitäten erfüllte und die Ärztin erneut (ich weiß nicht zum wievielten Male diese Dinge aufgenommen wurden) einen Anamnesebogen ausfüllte, stand ich mit Jette auf der Liege da und hatte meine Mühe, sie zu halten. Die Ärztin beachtete uns nicht sondern fragte weiterhin, wie denn die Geburt verlaufen sei, ob es Allergien gebe, weiche Impfungen gemacht worden sind usw. Jette ihr gelbes Untersuchungsheft sowie ihren aktuellen Impfausweis hatte ich auch hier wiederunverzüglich vorgelegt...Eigentlich war ich der Ansicht, dass hier alles Wesentliche drin steht.
WARUM hat sie sich nicht einfach Jette angesehen und mich gefragt, was ich für einen Eindruck hätte...
Dann hat sie Jette untersucht. Alles okay. Hätte ich nur VORHER ins INTERNET gesehen. Heute weiß ich, dass selbst bei Verdacht auf Meningitis sofort Antibiotika zu geben sind, noch BEVOR überhaupt ein Befund vorliegt.
Jette bekam Fiebersaft und ein Bettchen. Papa ist gegen 2.00 Uhr morgens nach Hause gefahren und war gegen halb sieben wieder da.
Gegen halb fünf morgens kam eine Schwester und erklärte mir, dass das Fieber zurückgegangen ist. Jette schlief und wir saßen daneben. Alles wird gut. Morgen sind wir wieder zu Hause. Und dann ...
Zwischendurch ist Jette mal aufgewacht, aber gleich wieder eingeschlafen. Ich hatte das Gefühl, dass sie sehr erschöpft ist. Also sollte sie schlafen, damit sie später wieder fit ist. (Ich habe "damals" ein Bild gemacht...für ihr Album... "da warst du mal im Krankenhaus" - das war schon nicht mehr mein Kind! - und es tut so verdammt weh, WARUM habe ich es nicht gesehen oder gesehen und nichts GESAGT????) Ich habe den Ärzten vertraut....
Weiterhin hat Jette immer wieder Erbrechen müssen. Ich habe sie regelrecht hochgestemmt, weil ich keine Kraft mehr hatte. Letztendlich habe ich Sie auf die Seite gelegt, damit sie mir nicht erstickt. Die Ärzte zur Visite am späten Vormittag, die sich weder als Ärzte vorgestellt haben noch irgendein Wort mit uns gewechselt haben, standen daneben ...
UNFASSBAR UNVERANTWORTLICH
- VERDACHT AUF UNTERLASSENE HILFELEISTUNG -
Am Nachmittag des 30.12. kam dann jemand? der uns sagte, man würde jetzt eine Lumbalpunktion (Entnahme von Hirnwasser) machen, da sich Jettes Zustand nicht wesentlich verändert hatte.
Kurz darauf kam ein uns bis dahin unbekannter Oberarzt herein, der uns erklärte es wäre besser, wir würden jetzt nach Erfurt auf die ITS. Hier gäbe es zu wenig Möglichkeiten. Wir fragten nicht nach. WARUM???
Wir fahren mit Sondersignal. "Das ist besser so," sagt der Oberarzt. WARUM??? Wir haben nicht nachgefragt. Ich darf hinten mitfahren. Ist doch normal, oder??? Der Oberarzt sitzt neben mir, sieht mich nicht an. Erzählt mir nur, dass wir so eine halbe Stunde sparen. Dass eine Infusion zwischendurch leer ist und er keine weitere dabei hat, erfahren wir erst hinterher.
Ach ja, und wir wurden auch darüber informiert - ohne danach gefragt zu haben - dass die Ärztin, die Jette am 29.12. untersucht hat, seit 31.12, nicht mehr im Klinikum tätig, sondern in ihr altes Bundesland zurückgegangen ist................................................................................................
In Erfurt angekommen, legt der Oberarzt aus Gotha seinen Arm um mich, was ich sehr befremdlich finde und sagt zu mir, er wünsche mir sehr viel Kraft. Ich danke ihm und gehe davon aus, dass alles gut ist. Eine trügerische Einstellung.
In Erfurt werden wir darüber unterrichtet, dass sofort ein zweites Antibiotika gegeben wird. Noch immer kennen wir keinen Befund.
Wir sehen, dass an dir Tests durchgeführt werden, wir verstehen Sie nicht, aber wir fragen auch nicht. WARUM?
Heute wissen wir, das es einzig wichtig war, bei dir zu sein.
Die Tage danach verschwimmen, weshalb es mir wichtig war, diese Geschichte heute an deinem 2. Geburtstag (und ich sehe deine strahlenden Augen) zu erzählen.
Irgendwann haben wir dann erfahren, dass du eine Hirnentzündung hast. Später war es dann eine Hirnhautentzündung. Das erste MRT war in Ordnung, nach dem zweiten MRT mussten die Ärzte eine Notoperation vornehmen. "Wir haben 2 Schädelknochen entfernen müssen, aber die kann man später wieder einsetzen." Zu diesem Zeitpunkt verkraftet man so vieles. Man würde sich so gern mal die Ohren zuhalten. Wir wollen dich einfach nur wieder mitnehmen.
Wir sitzen neben dir, Tag und Nacht und Nacht und Tag. Wir singen und beten und schweigen und weinen, sind starr vor Entsetzen. Wir waschen und streicheln dich, küssen immer wieder dein Gesichtchen und deine Händchen, cremen dich ein, sagen dir, wie sehr wir dich lieben. Mit deinem Kopfverband siehst du wie ein kleines Schneeflöckchen aus. Wir legen uns zu dir und wärmen dich, weil du auch die Körpertemperatur nicht mehr halten kannst. Bis zu 8 Schläuche sind an deinem kleinen Körperchen angeschlossen.
Selbst nach der ersten Hirntoddiagnostik haben wir noch daran geglaubt, dass wir dich wieder mit nach Hause nehmen, egal wie.
Bereits vor der zweiten Hirntoddiagnostik haben wir uns - bevor wir von den Ärzten befragt worden sind - für eine Organspende entschieden. Dein Herzchen schlägt jetzt - soweit wir den Informationen der DSO vertrauen dürfen - in einem 1-jährigen Jungen weiter. Ein kleiner Trost....
Jetzt wissen wir: Du hättest weiterleben können. Wir wären bereit gewesen. Alles wäre gegangen.
Doch jetzt:...Wir sind dankbar, dass wir dich hatten.
Und doch... So kann es nicht sein. Wir werden kämpfen, so wie du eine Kämpferin warst.
Wir haben am 31.12.2014 an deinem Bettchen gesungen und gewusst, es wird alles anders...
... und draußen knallten die Böller und blitzten die Raketen
Am 05.01.2015 ist protokollarisch dein Tod festgestellt worden. Todesursache Pneumokokken-Meningitis. (heilbar durch rechtzeitige Gabe von Antibiotika - nicht resistent)
- trotz ordnungsgemäßer zeitgerechter Impfung, in Deutschland, trotz der heutigen technischen Möglichkeiten -
Jettchen, mein kleines Mottchen, wir lieben dich!!!
UND deshalb kämpfen wir!!!
Vielleicht finden wir ja jemand, der uns etwas helfen kann.